Theater, Musik, Konzerte rc.
Im
Volkstheater ist gestern der Versuch gemacht worden, unter dem Titel
«Die Burgfrau von Oestrot» ein Schauspiel aufzuführen, dessen Original
Henrik Ibsen vor mehr als dreißig Jahren verfaßt hat und das einen psychologisch merkwürdigen Vorgang aus der skandinavischen Geschichte behandelt. Das gut besuchte Haus klatschte lebhaft Beifall; trotzdem ist der Versuch nicht geglückt. Will man Ibsen geben, so muß man ihn mit vollem Verständniß geben. Dieses Verständniß fehlte dem größten Theil der Darsteller, und noch mehr fehlte es dem mir unbekannten Uebersetzer, welcher entweder deutsch so wenig versteht wie norwegisch oder zu den ausgemachtesten Todfeinden Henrik Ibsens und seiner Dichtung zählt. Die Uebersetzung ist von A bis Z ein Ding der Unmöglichkeit, und die Direktion ist sehr unvorsichtig gewesen, sich auf ein solches Deutsch einzulassen. Das durfte umso weniger geschehen, als Fräulein
Emma Klingenfeld bereits vor 11 Jahren unter Theilnahme des Dichters eine vorzügliche Uebertragung von «Frau Inger auf Oestrot» bei Ackermann in München veröffentlicht hat. Den Gelehrten des Volkstheaters scheint diese Arbeit nicht bekannt zu sein. Zu den unbestrittensten Vorzügen Ibsens gehört seine Behandlung des Prosadialogs. Da darf nicht vom ersten besten Stümper gepfuscht werden.
P. S.