Anonym anmelder i Neue Augsburger Zeitung

Gespenster på Augsburger Stadt-Theater anmeldt i Neue Augsburger Zeitung 16. april 1886.

Lokales.

P. (Augsburger Stadttheater.)   Am 14. ds. Abends wurde vor einem auserwählten, vorwiegend aus Herren bestehenden Kreise, darunter auch viele literarische Celebritäten aus München, ein Familiendrama von dem in München lebenden schwedischen Dichter Ibsen aufgeführt, dessen destruktive Tendenz eine öffentliche Aufführung nicht gestattet. «Gespenster» ist der Titel des Stückes, das als Illustration zu dem bekannten Nordauschen Buche «Die conventionellen Lügen» gelten kann. Wie dort alle höhere Weltordnung Lüge, so sind hier alle sittlichen und ethischen Regungen ererbte Einbildungen, Gespenster. Vor unseren Augen spielt sich ein aufregender Kampf ab. Auf der einen Seite kämpft das conservativ-positive Element, vertreten durch einen Pastor, auf der anderen Seite das negirende, repräsentirt durch eine mit sich und der Welt zerfallene Frau. Als Ausgangspunkt dient Beiden die Ehe, hier allerdings die unglücklichste, die es geben kann, da der Mann bereits physisch und moralisch gebrochen in dieselbe getreten und das schleichende Gift, das ihn zerstört, auch auf seinen Sohn übergetragen, der als Jüngling dann der Verzweiflung und dem Wahnsinn anheimfällt. Für die Frau, die an einen solchen Mann gekettet, gilt die Ehe als eine unmoralische Institution und der Autor läßt seinen Pastor gegen die so denkende Frau die schlechtesten Waffen gebrauchen. Er weiß nichts zu sagen von der weitaus überwiegenden Anzahl glücklicher, nach göttlichem Gesetze eingegangenen Ehen, deren geordnetes Familienleben den Grundpfeiler der gesellschaftlichen Ordnung bildet, weiß nichts zu sagen, daß es gerade die zersetzenden Ideen unserer Freigeister sind, die leider immer mehr in das Heiligthum der Familie eindringen und dort ihre zerstörenden Wirkungen üben. Der Pastor spricht von Idealen, die man dem Sohne nicht rauben dürfe; die Mutter hält ihm entgegen: «Was Ideale? Wahrheit!» Was für Wahrheit? Es ist der crasse Schopenhauersche und Hartmannsche Pessimismus, diese Wahrheit, und dessen unausbleibliches Ende ein eisiges Nirwana. Die Entscheidung, wem der Sieg zufällt, überläßt der Autor dem Zuhörer. Diese Andeutungen mögen genügen, unsere Leser über den Inhalt des Dramas aufzuklären, von dem uns eigentlich nur der Schlußakt vorgespielt wird und dessen Entwicklung uns nur in der langathmigen Exposition angedeutet wird. Das Ganze ist indessen ein geniales Blendwerk, das in vielen Zügen an Byrons «Manfred» gemahnt, und man kann in gewisser Beziehung auf den Autor das Wort des großen Briten anwenden: «O what a noble mind is here oerthrown!» Die Aufführung, welche unter dem Titel «Generalprobe» annoncirt war, war eine geradezu mustergiltige und den Damen Hausen und Weigel, sowie den Herren Hellmuth-Bräm, Krägel und Wendt galt in erster Linie der überaus warme Beifall, der von dem Publikum nach jedem Akte, sowie mehrmals bei offener Scene gespendet wurde, und es war nur ein Akt der Pflicht, daß Herr Direktor Grosse, den man am Schlusse stürmisch gerufen, seinen wackern Mitgliedern für ihre Bereitwilligkeit bewegt seinen Dank aussprach. Der Autor war im Auditorium anwesend und mag mit der Inscenirung seines Werkes wohl mehr als zufrieden gewesen sein.

Publisert 21. mars 2018 10:39 - Sist endret 21. mars 2018 10:40